Ich will noch mal etwas zu dem Computerspiel This War of Mine sagen, das Ihr vorgestellt habt. Ich bin über die Jahre hin durch verschiedene Erlebnisse zu der Einstellung gekommen: Krieg spielt man nicht. Daher meine grundlegende Ablehnung gegenüber Computerspielen oder Veranstaltungen, die Kriege nachspielen (und bei denen im krassesten Fall das Töten von Menschen oder Tieren gewollt ist). Aber das ist ein persönlicher Standpunkt und andere können anderer Meinung sein.

Jedoch finde ich an diesem Beispiel die Metaperspektive diskussionswürdig: Worum geht es in dem Spiel? Ich sehe das Ziel darin, den Spieler in eine Dilemmasituation zu bringen und ihn mit essentiellen Fragen über Leben und Tod zu konfrontieren, sprich sein moralisches Urteilsvermögen zu testen.

Ein Computerspiel, bei dem in der Regel ein Zeit- und Entscheidungsdruck herrscht, halte ich jedoch für keine gute Form, um Dilemmata zu behandeln. Ich denke, dass man über die Zeit hin eine nüchterne Entscheidungsstrategie (im Sinne der Erfolgsmaximierung) entwickelt und so das Spiel „durchspielt“. Psychologisch gesehen setzt einfach der Verdrängungseffekt ein und man spaltet das Gewissen ab und handelt eher rational und mechanisch. (Nebengedanke: Es wäre interessant zu untersuchen, wie sich der Spieler über die Zeit hin verändert; wie viel Zeit benötigt er anfangs für Entscheidungen und wie entwickelt sich dies über den Verlauf des Spieles? Perfektioniert er also das Entscheiden von Dilemmata – eigentlich ein Widerspruch in sich?)

Dilemmata sollten eigentlich zu einer Reflexion über die Situation und über die Entscheidung führen – was bin ich für ein Mensch, wenn ich so denke? Im Extremfall kommt man nämlich zu keiner Entscheidung, weil man eben in der Lage ist, viele Perspektiven des Problems zu bedenken und diese genau nicht gegeneinander abwägen kann. Für Dilemmata ist eigentlich die Unentschiedenheit die beste Antwort, weil sich darin die komplexere moralische Denkfähigkeit ausdrückt. In konkreten Situation wird man eine Entscheidung eher nach dem Münzprinzip (spontan aufgrund von Nichtigkeiten) treffen, weil eben alle Argumente gleich schwer wiegen.

Wenn man Dilemmata – was ich für ein gutes Thema halte – im Unterricht behandeln will, dann würde ich das eher als Diskussion (schriftlich oder mündlich) im Klassenverband tun als mit einem Computerspiel. Und ich finde auch, dass man realistischere Problemstellungen verwenden sollte als Krieg. Mir sind seit unserem Treffen immer wieder Themen aufgefallen, die ich für besser geeignet halte:

Beim Thema Flüchtlingslager kam mir nämlich auch die garstige Frage: Warum hat Polen nicht ein Spiel mit solchem Inhalt auf den Lehrplan gesetzt? Warum nicht in Form eines Spieles den moralischen Entscheidungsweg eines Flüchtlings erlebbar machen? Das ist für uns noch lebensnäher als Krieg und ließe sich mit manchen Großeltern aus Schlesien oder Böhmen einem Realitätsabgleich unterziehen.

Summa summarum: Ich finde Computerspiele kein so gutes Mittel für den Schulunterricht, weil der Schüler damit allein ist und höchstens von einem Algorithmus eine Rückmeldung erhält. Computerspiele triggern auch meiner Ansicht nach eher niedere Instinkte (Spieltrieb), weshalb sie als cool empfunden werden. Eine Lernwirkung wird eher auf diesen sekundären Effekten beruhen und weniger auf dieser Form.